Einleitung
Der Abbau von Kies und Sand ist unverzichtbar, aber er ist auch immer ein Eingriff in das Ökologiegleichgewicht der Natur. Als Kieswerksunternehmen muss man sich dieser Tatsache bewusst sein und geeignete Renaturisierungsmaßnahmen bereits im Voraus planen.
Wie eine gelungene Renaturierung in Zusammenarbeit mit Kieswerksbetrieb, Behörden und Naturschutzverbänden aussehen kann, möchten wir hier am ehemaligen Kieswerk Heidbrink aufzeigen. Die folgenden Texte und Fotos sind ein Auszug aus unseren Bewerbungsunterlagen zum Nachhaltigkeitspreis für Kies und Sand 2010. Diese Texte wurden von Diplom Biologin Eva von Löbbecke-Lauenroth verfasst.
Historie
Das ehemalige Kieswerk Heidbrink liegt in einer Weserschleife im Landkreis Holzminden, Niedersachsen. Kiesabbau fand hier bereits in den 50er Jahren statt, betrieben durch die Forstverwaltung Niedersachsen. Im Jahr 1986 wurde der Betrieb von einem Firmenkonsortium (Kieswerk Ernst Müller, Durant, Gebr. Reker und Bau-Meier) übernommen und bis 1993 wurde auf landeigenen Gebiet Kies und Sand im Nassabbauverfahren gewonnen.
Geschäftsführung und Verwaltung lagen während des gesamten Betriebszeitraums bei der Kieswerk Müller GmbH & Co.KG. Ab 1996 wirkten die beiden Geschäftsführer Eckhard Henke und Werner Reker federführend bei allen Entscheidungen - insbesondere bei allen Renaturisierungsmaßnahmen.
Im Westen des Abbaugeländes behinderten bald feste Tonschichten den Nassabbau, so dass ein ausgedehnter Flachwasserbereich mit Kleingewässern unterschiedlichen Charakters entstand (siehe Abb. 1). Aus naturschutzfachlicher Sicht sind derartige Lebensräume sehr attraktiv - bieten sie doch einer Vielzahl auentypischer Vegetation und Fauna einen geeigneten Lebensraum. In Kombination mit dem östlich gelegenen Abbaugewässer und dem im Westen angrenzenden Laubwaldbestand stellt der Flachwasserbereich einen besonders wertvollen Lebensraum dar.
So verzichtete man in Absprache mit dem zuständigen Forstamt und dem Landkreis Holzminden auf eine weitere Vertiefung und wich stattdessen nach Nordosten in den Uferbereich der Weser aus - ein Glücksfall für den Naturschutz, wie sich später zeigen wird.
Schon bald erobern die ersten Wasservögel das neue Abgrabungsgewässer und bereits ein Jahr nach Abbaubeginn wird mit freiwilliger finanzieller Hilfe der Fa. Kieswerk Heidbrink eine Vogelbeobachtungshütte errichtet, die Wanderern und Radfahrern eine ungestörte Naturbeobachtung ermöglicht.
Die Möglichkeit der Naturbeobachtung wird von Erholungssuchenden, Radfahrern und Naturfreunden gut angenommen und stellt auch heute nach wie vor eine Attraktion im Gebiet dar
Das Naturschutzgebiet "In den Eichen"
Im Folgejahr dann eine kleine Sensation: Die nachhaltige Bewirtschaftung der Flächen schon während des Abbaus führte dazu, dass 1995 im laufenden Abbaubetrieb das Abbaugelände als Teil des ca. 110 ha großen Naturschutzgebietes "In den Eichen" ausgewiesen wird!
Während anderenorts der Kiesabbau im Auenbereich der Weser von Naturschützern erbittert bekämpft wird, stellt die Naturschutzbehörde hier einen laufenden Kiesabbau unter Schutz!
Schutzgegenstand: Das Naturschutzgebiet umfasst den ökologisch wertvollen Bereich der Nieder- und Mittelterassen innerhalb einer Flussschleife, an deren Gleitufer sich bis zu 20 m mächtige diluviale Kiese und Sande abgelagert haben. Auf dem Sedimentationskörper der Mittelterassen stocken naturnahe Laubmischwälder mit hohen Anteil alter Eichen und hohem Totholzanteil. An die Waldbestände angrenzend erstrecken sich durch Kiesabbau entstandene Abgrabungsgewässer und weitere Flächen die gegenwärtig einer Kiesentnahme unterliegen.
Die Abgrabungsgewässer im Bereich der Niederterasse stehen im Einflussbereich des Hochwassergeschehens der Weser. Insbesondere für bedrohte Tier- und Pflanzenarten der natürlichen Flussauen und für ziehende Wasservögel dienen die Abgrabungsgewässer und die daran angrenzenden Flächen als Ersatzlebensraum.
Hintergrund
Die Niederungen großer Flüsse gehören ursprünglich zu den artenreichsten und vielfältigsten Lebensräumen Mitteleuropas. Durch die ungebändigte Dynamik der Hochwasserereignisse wurden die an dem Fluss grenzenden Auenlandschaften geprägt.
Ein ständig wechselndes Mosaik unterschiedlicher Lebensräume auf engstem Raum: nährstoffreiche Schwemmflächen, karge Kiesbänke, tiefe Kolke und kurzlebige Gewässer die periodisch austrockneten. Steilufer neben flachen Sand- und Kiesbänken, angrenzende Nasswiesen und artenreiche Auenwälder bestimmten eine ganz eigene Landschaft, die mit jedem Frühjahrshochwasser ein neues Gesicht bekam.
Viele heute stark bedrohte Tier- und Pflanzenarten waren hier beheimatet. Fischotter und Biber gehörten ebenso zu den typischen Tierarten der Flussniederung wie Pirol, Storch und Sumpfschildkröte, die bis ins 19. Jahrhundert auch das Bild der Oberweser prägten. Stör und Lachs waren Teil der heute unvorstellbar reichhaltigen Fischfauna.
Doch der Mensch hat sich schon frühzeitig die Flüsse und Ströme auf die unterschiedlichste Art zunutze gemacht. Wegen dieser Nutzungen und weil sich der Mensch vor Hochwasser schützen wollte, waren seine Eingriffe in die Flussaue erheblich.
Aus diesem Grund ist die Wiederherstellung natürlicher Strukturen durch den Kiesabbau ein besonders wertvoller Beitrag zum Erhalt dieser einmaligen Flusslandschaften.
Die Naturschutzbehörde des Landkreises Holzminden bestätigt mit Schreiben vom 09.10.2009 den hohen naturschutzfachlichen Wert der Abbaugewässer. "Die Abgrabungsgewässer haben eine hohe Bedeutung als Ersatzlebensraum für die bedrohte Tier- und Pflanzenwelt der natürlichen Flussauen sowie für ziehende Wasservögel".
Doch damit nicht genug: Nachdem der Kies- und Sandabbau am 31.12.2001 im Kieswerk eingestellt worden ist, beschränkte man sich nicht auf den erforderlichen Rückbau der Anlagen sowie Modellierung der Flächen und Anpflanzungen von Gehölzen. Auf Initiative des Kieswerks Müller und Herrn Reker wurden Naturschutzmaßnahmen durchgeführt, die weit über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinausgehen.
Das Fledermaus-Schutzprojekt am Heidbrink
In Zusammenarbeit mit der Naturschutzverwaltung wird 2002 ein Winterquartier für die in ihrem Bestand bedrohten Fledermäuse geschaffen.
Fledermäuse, die bei uns überwintern, benötigen störungsfreie Quartiere mit konstant niedriger Temperatur bei hoher Luftfeuchte. Ruhige und von der Temperatur passende Plätze sind aber für Fledermäuse oft schwer zu finden.
Sie versuchen in Kellern von Häusern, in Gewölben, in Felsenkellern oder in Höhlen unterzukommen. Jedoch gerade die alten Keller werden immer seltener. Höhlen werden auch im Winter von uns Menschen betreten, so dass Fledermäuse immer neue Winterquartiere suchen müssen,
Das neue Fledermaus- Winterquartier entsteht in einem ca. 30 m langen Betontunnel, der teilweise mit Erde verfüllt und mit Erde abgedeckt wird. Innerhalb des Tunnels werden Gitterziegelgesteine installiert, um den Fledermäusen Vorrichtungen zum Aufhängen zu bieten. Der Zugang wird mit einem Gitter verschlossen, damit die Tiere während ihrer Winterruhe ungestört bleiben.
Es folgen weitere Projekte in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Holzminden.
Zunächst geht es um Tourismusförderung. Die Vogelbeobachtungshütte ist schon ein großer Erfolg - diesen möchte man ausbauen.
Das Projekt "Weserradweg" am Heidbrink
Im Dezember 2004 wird die jüngste ehemalige Abbaufläche an der Weser an den Landkreis Holzminden verkauft. Auf dem Damm zwischen dem Abbaugewässer und der Weser wird ein Teilstück des neuen Weserradwegs erstellt.
Dieser überregional bekannte und bedeutende Radwanderweg mit hoher infrastruktureller Bedeutung für den Landkreis Holzminden und der Region Weserbergland verfügt nun über eine besondere Attraktion: Auf der einen Seite des Weges der Blick auf eine natürliche Flussschleife der Weser, auf der anderen Seite Einblicke in das naturnah gestaltete ehemalige Abbaugelände des Kieswerks Heidbrink.
Mit Beteiligung des Kieswerks Ernst Müller erfolgten bereits vorher Aufwertungen für einen "sanften Tourismus". An Aussichtspunkten wurden Informationstafeln zum Thema "Naturschutz im Zusammenhang mit dem Kiesabbau" und zum "Lebensraum Kiesgrube" erstellt.